Der Einzelhändler Finish Line Inc. gab gestern bekannt, in den nächsten Jahren ein Viertel seiner Filialen schließen zu wollen. Darüber hinaus trennt sich das Unternehmen von seinem Vorstandschef, nachdem sich die Probleme im Zuge eines immensen Absatzeinbruchs samt Lieferkettenunterbrechungen potenzierten. Finish Line ist bei Weitem nicht die einzige Firma, die Pate für eine amerikanische Einzelhandelsindustrie steht, die selbst sieben Jahre nach einem anhaltenden Filialschließungswettbewerb weiter hoch überschuldet und „overstored“ ist.

Dass auf Amerikas Einzelhandelsindustrie schwierige Zeiten zukommen würden, zeigen nicht nur die teils herben Absatzrückgänge unter vielen Branchenunternehmen in den vergangenen Jahren, sondern vor allem auch der anhaltende Filialschließungswettbewerb, dem seit Ausbruch der globalen Finanzkrise Hunderttausende von Mitarbeitern zum Opfer gefallen sind. 

Im Fall von Finish Lines setzten die Zahlen zum dritten Quartal gestern noch einen oben auf die Gesamtentwicklung drauf. Denn der Schuheinzelhändler berichtete über einen schweren Verlust von $21,8 Millionen oder 49 Cents pro Aktie. Im Vorjahresquartal fuhr der Konzern noch einen Gewinn von $2,6 Millionen ein.

Die Konsensprognosen unter Analysten hatten hingegen gerade einmal bei einem Verlust von 4 Cents pro Aktie gelegen. Im Jahresvergleich ist die Aktie von Finish Line – wie die Pendants einer ganzen Reihe von Konkurrenz- und Sektorunternehmen – um rund 27% im Kurs eingebrochen.

Im gestrigen Handel setzte sich der Kursabschwung nach Publikation der Zahlen fort, der in der Spitze bei 18% gelegen hatte. Laut Unternehmensmitteilung wird Vorstandschef Glenn Lyon das Unternehmen verlassen. Ferner wird der Konzern in den kommenden vier Jahren weitere 150 Filialen oder 25% seiner Outlets schließen.

Trotz der dramatischen Finanzlage und dem geringen Cashflow kündigte die in Indianapolis ansässige Firma eine Anhebung der Quartalsdividende um 1 Cent auf 10 Cents pro Aktie an, um die Entwicklung des eigenen Aktienkurses zu stützen.

Im Herbst des vergangenen Jahres kam es bei Finish Line zudem zu einer Unterbrechung der Lieferaktivitäten, nachdem die Einführung eines neuen Lager- und Verwaltungssystems sowohl die Filialauslieferungen als auch Bestellungen über das Internet lahm gelegt hatten. Die dadurch entstehenden Verluste summierten sich im vierten Quartal auf mehr als $30 Millionen oder 42 Cents pro Aktie.

Im Gesamtjahr 2014 setzte sich die Filialschließungswelle im amerikanischen Einzelhandel fort. Unter anderem hatte auch der Einzelhandelsriese Sears Holding Corporation erneut die Schließung von mehr als einhundert Filialen bekannt gegeben, in deren Zuge mindestens 5.500 Mitarbeiter ihren Job verlieren werden.

Filialschließungen in den Vereinigten Staaten im Jahr 2015

Dass Amerikas Einzelhandel auch sieben Jahre nach dem Höhepunkt der globalen Finanz- und Bankenkrise und nach den bis zum Jahr 2006 begangenen Bau- und Expansionssünden immer noch heillos „overstored“ ist, zeigen eben jene Meldungen. Nachdem die letzten beiden Weihnachtsfestivitäten zu den kommerziell schlechtlaufendsten in der Historie der Vereinigten Staaten avancierten, hagelte es in der gesamten Einzelhandelsbranche Absatz-, Gewinn- und Prognosesenkungen.

Selbst Einzelhandelsriesen wie Wal-Mart oder der Kmart-Betreiber Sears sind von dieser Entwicklung keineswegs ausgenommen. Ganz im Gegenteil erwies sich Wal-Mart in den letzten Quartalen jeweils als Taktgeber und Vorreiter, wenn es darum ging, vor potenziell zu verfehlenden Prognosen und einer äußerst schwierigen Lage an den heimischen Absatzmärkten zu warnen.

Auf sehr viele Einzelhändler trifft zudem zu, dass die Konzerne und Unternehmen trotz einer sich weiter forcierenden Welle von Filialschließungen noch immer unter einem enormen Margendruck stehen. Dies drückt natürlich auf die Gewinnentwicklung, doch im Angesicht der aktuellen Lage bleibt vielen Einzelhändlern nichts anderes übrig als die eigenen Preise weiter zu senken, um über teils extreme Rabattschlachten potenzielle Käufer in die Läden und Geschäfte zu locken.

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